"Wir haben es mit einer historisch neuen Herausforderung zu tun: Eisige Kälte, Energieengpässe und gleichzeitig Krieg", sagt Serhii Lukashov, Leiter von SOS-Kinderdorf Ukraine.
Lukashov rechnet damit, dass in den östlichen Gebieten Donezk, Mykolaiv und Charkiw eine weitere halbe Million Menschen die Flucht antreten wird. Die lokalen Behörden hätten bereits erklärt, dass es unmöglich sei, die Heizsysteme, Strom- und Wasserversorgung rechtzeitig für den Winter wieder instand zu setzen. Bei drohenden Temperaturen von bis zu -15 Grad sind die Bewohner aufgefordert worden, ihre Häuser zu verlassen.
Versorgungssysteme überlastet
Die Menschen sollen in der Zentral- und Westukraine unterkommen. Unser Kollege Lukashov sagt: "Aber auch dort ist nicht garantiert, dass sie ausreichend versorgt sein werden. Es besteht jederzeit die Gefahr, dass Langstreckenraketen weitere Zerstörung herbeiführen. Und selbst, wenn dies nicht eintritt, ist die Lage herausfordernd: Die Einwohnerzahl vieler Städte ist durch die Aufnahme von Geflüchteten um 10 bis 30 Prozent gestiegen und die Versorgungssysteme sind überlastet." Besonders dramatisch ist die Situation für kinderreiche Familien auf der Flucht. Viele von ihnen sind in Sammelunterkünften wie Stadien oder Ferienlagern untergebracht, die nicht für Minustemperaturen ausgerichtet seien. Eine eigene Wohnung könnten sich die wenigsten leisten.
Ebenfalls bedrohlich ist die Situation für Geflüchtete in ländlichen Regionen. "Die meisten Binnenvertriebenen kommen aus städtischen Industriegebieten und sind mit der Situation auf dem Land überfordert. Sie wissen nicht, woher sie angesichts der allgemeinen Ressourcen-Knappheit Holz oder Kohle bekommen sollen, ein Grossteil hat auch gar nicht das Geld dafür", sagt Lukashov.
SOS-Kinderdörfer helfen in der Ukraine
Damit Kinder und Familien in der Ukraine über den Winter kommen, ergreifen die SOS-Kinderdörfer zahlreiche Massnahmen: Betroffene werden mit warmer Kleidung, Decken, Öfen und weiterer Ausstattung versorgt, Pflegefamilien erhalten Unterstützung bei der Miete und dem Kauf von Brennstoffen. Familien aus den östlichen Gebieten werden bei der Evakuierung unterstützt. Zudem ist die Hilfsorganisation dabei, Kurzzeitunterkünfte für Frauen mit Kindern einzurichten.